Illustration zeigt Frau auf Glühbirne

Megatrends

Die Welt verändert sich rasant. Klimawandel, Konflikte, technologische Umbrüche und gesellschaftliche Entwicklungen prägen unsere Zukunft. Auf Basis von Literaturrecherche und leitfadengestützten Interviews haben wir zentrale Trends für Deutschland identifiziert, die helfen, die Zukunft als Momentaufnahme in einer Welt im Wandel greifbar zu machen.

Arbeitswelt

Die Entwicklungen vor allem der künstlichen Intelligenz werden Auswirkungen auf viele Berufsfelder haben. Befürchtungen, dass dadurch zahlreiche Arbeitsplätze wegfallen werden, sehen Wissenschaftler:innen jedoch größtenteils als unbegründet. Vielmehr werden sich Berufsfelder verändern und Aufgaben sich damit verschieben sowie auch neue Berufe entstehen (Bhargava et al., 2021; Hasenbein, 2023; Rampersad, 2020). So können beispielsweise einfache Formulare von Programmen geprüft, Texte nach Informationen durchsucht oder Lagerbestände verlässlicher und effizienter gestaltet werden. Nichtsdestotrotz bedarf es der menschlichen Einschätzung und Überwachung des Einsatzes solcher Anwendungen. Im Hinblick auf die voraussichtlichen weiteren Entwicklungen und damit verbundene mögliche Veränderungen bedarf es auch im beruflichen Kontext deshalb der Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und der Flexibilität in Bezug auf die Aufgabenfelder.

Deglobalisierung

Aufgrund globaler Herausforderungen in den vergangenen Jahren wie den Huthi-Attacken im Roten Meer, Spannungen mit der chinesischen Regierung, der Coronapandemie oder Kriegen wie dem russischen Angriffskrieg und dem Nahostkonflikt wurden die Grenzen der Globalisierung auf die Wirtschaft in Deutschland sichtbar. Lieferketten wurden unterbrochen, die Energiepreise schossen in die Höhe. Infolgedessen wurden die internationalen Verflechtungen hinterfragt (Farzanegan et al., 2021). So verfolgen beispielsweise die USA vermehrt die Strategie des Protektionismus, also dem Abschirmen der eigenen Wirtschaft (Deutschlandfunk, 2023). Tendenzen zur Reduzierung von Abhängigkeiten könnten sich in Zukunft auch in Deutschland verstärken. Eine komplette Entflechtung halten Ökonom:innen jedoch für unwahrscheinlich und wäre zudem schädlich für die deutsche Wirtschaft (Deutschlandfunk, 2023; Dorn et al., 2022).

Demografischer Wandel

Der Altersdurchschnitt der deutschen Bevölkerung steigt seit einigen Jahrzehnten kontinuierlich an. Die Anzahl der Menschen im Alter von 70 Jahren oder mehr stieg von 8 Millionen im Jahr 1990 auf 14 Millionen im Jahr 2022. Gleichzeitig blieb das Geburtenniveau verhältnismäßig gering. (Statistisches Bundesamt, 2024a, 2024b). Prognosen gehen davon aus, dass auch in den kommenden Jahrzehnten Personen ab 65 Jahren einen hohen Anteil an der Gesamtbevölkerung einnehmen werden. Die Folgen des demografischen Wandels wirken sich beispielsweise auf die Sozialsysteme aus, da weniger Erwerbstätige diejenigen Personen „finanzieren“ werden, die aufgrund ihres Renteneintritts nicht mehr in die Sozialsysteme einzahlen. Für die Wirtschaft und Arbeitswelt bedeutet die große Anzahl an Renteneintritten beispielsweise weniger Innovationen und weniger personelle Arbeitskraft, aber auch freiwerdende Positionen und Chancen für die nachkommenden Generationen und damit bessere individuelle Lebenschancen (Bujard, 2022).

Digitale Transformation

Längst haben digitale Anwendungen in jeglicher Form Einzug in unseren Alltag gehalten. Ob bei Fahrassistenten, automatischer Erkennung von Bildern, Gesichtern oder Texten oder der vieles umfassenden künstlichen Intelligenz. In der Digitalisierung liegen immense Chancen und Veränderungspotenziale, sie bringen jedoch auch Gefahren hinsichtlich der Nutzung von Daten und des ethischen Umgangs sowie der sozialen Spaltung mit sich (Ulnicane & Aden, 2023; Lopez, 2021). Auch wenn die konkreten Entwicklungen der digitalen Transformation nicht vollends absehbar sind, ist anzunehmen, dass sich die Digitalisierung in weitere Lebensbereiche ausweitet und insbesondere Entwicklungen der künstlichen Intelligenz eine hohe Dynamik mit sich bringen werden (Dwivedi et al., 2024).

Energie- und Mobilitätswende

Nukleare und fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl sollen bald der Vergangenheit angehören und durch erneuerbare Energien wie Windenergie oder Wasser- und Solarkraft ersetzt werden. Insgesamt zeigt sich in diesem Feld eine positive Entwicklung: So ist beispielsweise der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch von 6,3% im Jahr 2000 auf 57% im Juni 2024 gestiegen (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2024; Die Bundesregierung, 2024). Der Ausstieg aus der Kohleförderung betrifft Regionen in den Bundesländern Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ganz besonders. Und führt nicht nur zu landschaftlichen Veränderungen, sondern bedeutet auch Einschnitte in die Lebenswelt der Menschen vor Ort. Arbeitsplätze fallen weg, ohnehin dünn besiedelte Regionen könnten aufgrund dessen weiter an Einwohner:innen verlieren, Investitionen in die Infrastruktur könnten überdacht werden.

Klimawandel

Das Klimaabkommen von Paris aus dem Jahr 2015 sah unter anderem vor, dass der weltweite Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad beschränkt werden soll (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2024). Blickt man auf aktuelle Messungen und Analysen wird klar, dass selbst das weichere Ziel, den Anstieg auf nicht mehr als 2 Grad zu begrenzen, nur noch schwer zu erreichen sein dürfte (Park et al., 2023). Die möglichen Folgen der globalen Erwärmung sind vielfältig und können Natur (z.B. Extremwetterereignisse), Gesellschaft (z.B. Sicherheit), Wirtschaft (z.B. Veränderung vonnTourismus) betreffen und territoriale Bedrohungenn(z.B. Anstieg des Meeresspiegels) mit sich bringen (Europäische Kommission, o. D.).

Konflikte und Kriege

Im Jahr 2022 wurden mindestens 238.000 Personen durch militärische Konflikte getötet, was die höchste Zahl an Todesopfern seit dem Jahr 1994 und fast eine Verdopplung zum Jahr 2021 bedeutet (Davies et al., 2023). Gleichzeitig lassen sich Kriege und Konflikte jeglicher Art nur schwer vorhersagen, was nicht zuletzt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern deutlich wurde. Angesichts der globalen Herausforderung, wie sie auch in diesem Dokument beschrieben werden, lässt sich aber vermuten, dass die Welt auch in Zukunft von Konflikten geprägt sein wird (Schrader, 2022), die sich auf unterschiedliche Lebensbereiche wie die Wirtschaft, Tourismus oder Migration auswirken.

Mensch-Maschine-Interaktion

Technische Fortschritte und Entwicklungen in der Digitalisierung werden weitere Bereiche unseres Alltags verändern. Während wir heute schon mittels virtueller Realität Reisen in längst vergangene Zeiten unternehmen und Haushaltsgeräte durch Sprache steuern, werden wir in Zukunft möglicherweise noch stärker mit technischen Geräten kommunizieren und interagieren. Der Einsatz von Pflegerobotern ist auf dem Vormarsch, auch um den Herausforderungen des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels zu begegnen (Rebitschek & Wagner, 2020). Diese, teils dynamischen und schnellen Entwicklungen erfordern von uns als Nutzern eine hohe Offenheit für neue Entwicklungen im privaten und beruflichen Bereich. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, Herr und Herrin über die Nutzung und die Verlässlichkeit der gesammelten und verwendeten Daten zu bleiben. Zudem bedarf es einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für die Nutzung der jeweiligen Anwendungen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.

Migration

Betrachtet man die Zahlen der vergangenen Jahrzehnte im Hinblick auf Wanderungsbewegungen wird schnell einsichtig, weshalb diese so schwer vorherzusagen sind. Der Verlauf erinnert an ein unregelmäßiges EKG, mit einem Höhepunkt im Jahr 2015, der maßgeblich durch den Krieg in Syrien ausgelöst war. Gründe für Migration sind soziopolitische Faktoren (z.B. Verfolgung aufgrund von Religion oder ethnischer Zugehörigkeit, bewaffnete Konflikte), demographische und wirtschaftliche Faktoren (z.B. hohe Arbeitslosenquote, Zuwanderung von Fachkräften oder schlechte Bildungsaussichten), Umweltfaktoren (z.B. Naturkatastrophen, Staatsführung) (Bhugra, D., Gupta, S., Bhui, K., Craig, T. K., Dogra, N., Ingleby, J. D., ... & Tribe, R. (2021). WPA guidance on mental health and mental health care in migrants. In Mental Health, Mental Illness and Migration (pp. 613-630). Springer Singapore). Aufgrund der angeführten Herausforderungen ist davon auszugehen, dass die Migrationsbewegungen nach Deutschland in den kommenden Jahren und Jahrzehnten konstant bleiben oder ansteigen – dies wird möglicherweise sprunghaft (Europäisches Parlament, 2024).

Persönliche Lebenswelten

Laut Prognosen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2024) wird die Bevölkerungszahl in Deutschland bis zum Jahr 2045 auf 85,5 Millionen Menschen steigen. Während Städte wie Leipzig oder Freiburg im Breisgau an Zulauf gewinnen, könnten Landkreise in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bis zu einem Fünftel ihrer Einwohner:innen verlieren – zumeist junge Menschen. Während also manche ländlichen Regionen regelrecht ausbluten könnten, werden insbesondere strukturstarke Stadt- und Landkreise an Einwohner:innen gewinnen. Dies könnte zu einer zunehmenden Heterogenität (z.B. im Hinblick auf Durchschnittsalter, Religion, Kultur oder Lebensformen innerhalb der Kernfamilie) in Gebieten mit hohem Zulauf führen, da zudem anzunehmen ist, dass es weiterhin zu Migrationsströmen aufgrund unterschiedlicher Ursachen (siehe unten) kommen wird. Gebiete mit vermehrter Abwanderung könnten sich hingegen homogenisieren, was insgesamt zu einer größeren Unterschiedlichkeit und einer zunehmenden sozialen Spaltung zwischen den Sozialräumen führen könnte. Doch auch in anderen Bereichen der persönlichen Lebenswelten könnten sich Veränderungen abzeichnen – oder bei deren Ausbleiben negative gesellschaftliche und individuelle Folgen haben: Kommt es nicht zu fundamentalen Investitionen und einem Paradigmenwechsel im deutschen Bildungswesen, werden sich Bildungsungleichheiten verschärfen und damit die Chancen auf ein „gutes und erfolgreiches Leben“ weiterhin nur unter bestimmten Bedingungen erreichbar sein. Deutschland zeichnet sich in internationalem Vergleich immer wieder dadurch aus, dass hierzulande der Bildungserfolg von Kindern vergleichsweise stark vom elterlichen Hintergrund abhängt (OECD, 2021). Kinder aus Akademikerhaushalten haben eine mehr als 5-mal höhere Wahrscheinlichkeit, einen Masterabschluss zu erlangen als Kinder aus Arbeitshaushalten (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V., 2022). Zudem fehlen nach aktuellen Berechnungen derzeit 430.000 Kitaplätze, wobei sich bereits bei der Zuteilung existierender Plätze Ungleichheiten zeigen (Schmitz et al., 2023). Somit produziert und reproduziert auch das System der Kita- und Grundschulbildung Ungerechtigkeiten.

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